Zielvereinbarung nicht abgeschlossen: Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadenersatz in Höhe des vereinbarten Bonus denkbar

Vereinbarungen über eine variable Vergütung (zum Beispiel Bonus oder Tantieme) sind ein wichtiges Instrument der Mitarbeiterführung. Sie finden sich insbesondere in Arbeitsverträgen von leitenden Angestellten und von Führungskräften. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, an den Arbeitnehmer eine variable Vergütung zu zahlen, sofern die in einer Zielvereinbarung geregelten Ziele erfüllt worden sind. In der Regel sollen die Ziele zu Beginn des (Geschäfts) Jahres festgelegt werden.
In der Praxis jedoch wird die Absprache einer konkreten Zielvereinbarung jeweils zu Beginn des vereinbarten Zeitraumes nicht selten unterlassen. Für beide Parteien stellt sich dann die Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine variable Vergütung hat und sofern ja, wie diese zu berechnen ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte 2020 über einen solchen Fall zu entscheiden, dem folgende Bonusvereinbarung zu Grunde lag:

Der Mitarbeiter kann nach Ablauf der Probezeit zusätzlich zu seiner vorgenannten Vergütung eine erfolgsabhängige variable Vergütung (Bonus) abhängig von seiner Leistung und der Geschäftsentwicklung des Arbeitgebers in Höhe von bis zu 25 % (in Worten: fünfundzwanzig Prozent) seines vereinbarten Bruttojahresgehaltes erhalten. Die Bestimmungen über die Voraussetzungen, die Höhe und die Auszahlung der erfolgsabhängigen variablen Vergütung (Bonus) wird gesondert geregelt.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 17.12.2020, – AZR 149/20) hat entschieden, dass in einem solchen Fall dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe des in der Vereinbarung genannten maximalen Bonus zustehen kann, sofern:
• laut Bonusvereinbarung die Parteien gemeinsam Ziele vereinbaren sollten
• der Arbeitgeber schuldhaft solche Ziele nicht vereinbart hat
• der vereinbarte Zeitraum abgelaufen ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in dem Urteil mit weiteren, für die Praxis wichtigen Details befasst:
Wie hoch ist der Anspruch auf Schadenersatz?
Sofern in der Bonusvereinbarung eine konkrete Summe genannt ist, ist es wahrscheinlich, dass diese Summe als Schadenersatz anerkannt wird. Wenn jedoch der Arbeitnehmer nicht nachweisbar aktiv versucht hat, mit dem Arbeitgeber die Ziele zu vereinbaren, wird diese Summe wegen Mitverschuldens des Arbeitnehmers um 10 % gekürzt. Eine Kürzung des Bonus, weil der Erfolg des Unternehmens hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, hat das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall verneint.

Kann der Anspruch auf Schadenersatz verhindert werden, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer am Ende des vereinbarten Zeitraumes einseitig bewertet?
Auch hierzu hat sich das Bundesarbeitsgericht klar geäußert: nein, eine solche einseitige Bewertung führt nicht zu einem Wegfall des Anspruches, wenn die Parteien vereinbart hatten, gemeinsam die Ziele festzulegen.

Praxistipp für Arbeitnehmer:
Es kann sich lohnen, die Bonusregelung sorgsam zu prüfen. Sofern dort eine gemeinsame Festlegung der Ziele vereinbart wurde und eine entsprechende Zielvereinbarung unterlassen wurde, bestehen – je nach Einzelfall – gute Chancen, dass Sie (ggf. auch rückwirkend) Ansprüche geltend machen können. Selbst wenn Sie einen Bonus erhalten haben, könnte Ihnen nach diesem Urteil ein weiterer Schadenersatz zustehen.

Praxistipp für Arbeitgeber:
Das wichtige Instrument der variablen Vergütung wird durch diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes erneut beleuchtet. Die Entscheidung kann zum Anlass genommen werden, zu überprüfen, ob die von Ihnen gelebte Praxis der alljährlichen Zielvereinbarung den in Ihrem Vertragsportfolio enthaltenen Vereinbarungen entspricht und ob durch eine Konkretisierung der Zielvereinbarungen für die Zukunft eine passgenauere Steuerung Ihrer Unternehmensziele erreicht sowie das Risiko einer Verpflichtung zur Zahlung der maximalen variablen Vergütung verringert werden kann.

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