Sind Sie Beteiligter an einem Unfall mit einem E-Scooter? Welche Rechte und Pflichten haben Sie?
Seit 2019 sind E-Scooter – auch Elektro-Tretroller genannt – für die Teilnahme am Straßenverkehr zugelassen. Für sie gilt neben den Regelungen des StVG die sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV). Die meisten E-Scooter stehen im Eigentum von Verleihfirmen, wie zum Beispiel Voi, Lime, Circ oder Tier. Für jeden E-Scooter hat der Eigentümer bzw. Halter eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Ausgewiesen wird diese durch die am E-Scooter befestigte Versicherungsplakette.
Von Beginn an zeigte sich, dass E-Scooter relativ häufig an Unfällen mit anderen Verkehrsteilnehmern beteiligt sind. Das Haftungsregime für Unfälle mit E-Scootern weicht jedoch erheblich von Unfällen mit PKWs, Motorrädern oder LKWs ab. Bei solchen Unfällen ist das grundsätzliche Haftungsregime allgemein bekannt: Bei Verschulden haftet der Fahrer/Halter und die von dem Halter beauftragte Versicherung. Der Halter (und auch die von ihm beauftragte Haftpflichtversicherung) haftet darüber hinaus für das Risiko des Betriebes des Kraftfahrzeuges. Sofern der Betrieb des Kraftfahrzeuges zu einem Schaden führt, haftet grundsätzlich der Halter, auch wenn den Fahrer kein Verschulden trifft oder dieser nicht ermittelt werden konnte.
Anders stellt es sich bei Unfällen mit E-Scootern dar. Zwar sind E-Scooter „Kraftfahrzeuge“ im Sinne des StVG. Da sie jedoch Bauart bedingt nicht mehr als 20 km/h schnell fahren, gilt für sie gemäß § 8 Nr. 2 StVG nicht die sogenannte verschuldensunabhängige Haftung im Sinne von § 7 StVG. Der Halter (und somit auch die von ihm beauftragte Versicherung) haftet nur, wenn den Fahrer ein Verschulden trifft. Eine Haftung setzt somit voraus, dass der Fahrer eine ihm auferlegte Pflicht oder ein Verbot schuldhaft verletzt hat und dass der Verstoß kausal für den eingetretenen Schaden gewesen ist.
Die besonderen Pflichten und Verbote für Fahrer von E-Scootern sind in den Absätzen 10 bis 12 eKVF geregelt, zum Beispiel:
- Keine Nutzung von Wegen, die ausschließlich von Fußgängern genutzt werden dürfen, es sei denn, das Befahren mit E-Scootern wurde ausdrücklich erlaubt;
- bei gemeinsam von Fußgängern und Radfahrern/E-Scooter genutzten Wegen haben Fußgänger Vorrang;
- sofern Radfahren verboten ist, gilt dies auch für E-Scooter;
- es ist einzeln hintereinander zu fahren;
- Rechtsfahrgebot;
- Promillegrenze 0,5.
Praktische Tipps für Geschädigte durch einen Unfall mit einem E-Scooter
Dreh- und Angelpunkt einer Auseinandersetzung über die Haftung wegen eines Unfalls mit Beteiligung eines E-Scooters wird daher sein, ob ein Pflichtenverstoß des Fahrers bewiesen werden kann. Sofern Sie Geschädigter aufgrund eines Unfalls mit einem E-Scooter sind, ist es daher wichtig, dass Sie einen solchen Pflichtenverstoß belegen können. Es ist daher unbedingt überlegenswert, die Polizei zu informieren und das Unfallgeschehen aufnehmen zu lassen, insbesondere bei Personenschäden. Auch ist es sinnvoll, etwaige Zeugen zu dokumentieren. Zur Darlegung des Pflichtenverstoßes kann ein Rechtsanwalt im Anschluss für Sie eine Akteneinsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte beantragen.
Wie bei einem Unfall mit einem PKW kann durch die Versicherungsplakette der Halter und die Haftpflichtversicherung ermittelt werden. Teilweise haben Verleihfirmen eine Versicherung mit Sitz außerhalb von Deutschland beauftragt. Auch in diesem Punkt kann ein Rechtsanwalt behilflich sein.
Neben diesen zivilrechtlichen Aspekten ist es möglich, dass auch gegen Sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird, zum Beispiel weil Sie als Radfahrer angeblich gegen Ihre Pflichten verstoßen haben sollen. In diesem Fall ist grundsätzlich zu überlegen, ob Sie Akteneinsicht beantragen, bevor Sie zu den Vorwürfen Stellung nehmen.
Praktische Tipps für Fahrer eines E-Scooters, der verunfallt ist
Die obigen Gedanken gelten im Grundsatz auch für Sie als Fahrer eines E-Scooters. Gerade bei einem möglichen Verschulden Ihrerseits kann es ratsam sein, vor einer Aussage bei den Ermittlungsbehörden durch einen Rechtsanwalt Akteneinsicht zu beantragen.
Sofern Sie als Fahrer eines gemieteten E-Scooters Beteiligter an einem Unfall ist, ist es ergänzend wichtig, sich entsprechend den Verleihbedingungen des E-Scooter-Verleihers zu verhalten. In diesen kann zum Beispiel geregelt sein, wie und in welcher Form Sie einen Unfall zu melden haben.
Haftungsumfang
Sofern eine Haftung nach den obigen Regeln gegeben ist, stellt sich die Frage nach dem Haftungsumfang. Dieser entspricht im Grunde dem Haftungsumfanges eines Unfalls mit einem PKW, LKW oder Motorrad. Dem Geschädigten sind alle Schäden zu ersetzen, die aufgrund des Unfalls entstanden sind, zum Beispiel Ersatz von beschädigter Garderobe oder sonstigen Gegenständen.
Bei Personenschäden kommen weitere Ansprüche in Betracht, zum Beispiel sogenannte Haushaltsführungsschäden, für den Fall, dass der Geschädigte nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Weitere mögliche Ansprüche sind Schmerzensgeld und ein Ausgleich für bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Rechtsprechung hat sich hier zu Gunsten der Geschädigten in den letzten Jahren verändert. Die von Gerichten zugesprochenen Beträge haben sich deutlich erhöht.
Bei Personenschäden ist der Haftpflichtversicherer grundsätzlich verpflichtet, auch die Kosten der direkten Einschaltung eines Rechtsanwaltes für die Geltendmachung der Ansprüche zu übernehmen.
Sie sind Beteiligter an einem Unfall mit einen E-Scooter und haben Beratungsbedarf? Kontaktieren Sie mich gern telefonisch oder per E-Mail oder über das Kontaktformular. Ich berate meine Mandanten im gesamten Bundesgebiet, gerichtlich und außergerichtlich.