Das Umgangsrecht bzw. dessen Aussetzung und Wiederaufnahme in Zeiten von Corona
Die seit Mitte März bestehende Unsicherheit im Umgang mit der um sich greifenden Corona-Epidemie hat dazu geführt, dass Eltern den Umgang des umgangsberechtigten Elternteil entweder einvernehmlich zeitweilig ausgesetzt haben oder aber auch der Umgang gegen den Willen des umgangsberechtigten Elternteils ausgesetzt wurde.
Die Aussetzung gegen den Willen des umgangsberechtigten Elternteils führt angesichts der zwischenzeitlich im Umgang mit der Krise erworbenen Erfahrungen zu der Frage, ob der Umgang bzw. dessen Wiederaufnahme gerichtlich durchgesetzt werden soll.
Grundsätzlich bleibt bei aller Sorge um die Gesundheit der gemeinsamen Kinder festzuhalten, dass auch eine Krisensituation wie die der Corona-Krise nicht geeignet ist, das Umgangsrecht eines Elternteils mit seinen Kindern auf unbestimmte Zeit auszuhebeln.
Die entscheidende und allein maßgebliche Frage bei der Durchführung des Umgangs ist stets die des Kindeswohls. Dies erfordert insbesondere in Krisenzeiten eine sorgfältige Abwägung verschiedener Aspekte, die der Verfasser im Folgenden für den Fall der Corona-Krise näher skizzieren wird.
Die spezifisch Corona-bedingte Abwägung erfolgt dabei zwischen den durch die Corona-Krise hervorgerufenen generellen Gesundheitsgefahren einerseits, andererseits sind aber auch die sich durch eine längere Unterbrechung des ansonsten bestehenden regelmäßigen Kontakts ergebenden Auswirkungen auf die psychische bzw. emotionale Gesundheit der Kinder zu beachten.
Abwägungsrelevant sind nicht nur die für die Kinder bestehenden Gesundheitsgefahren, sondern auch diejenigen für andere Familienmitglieder, etwa die Großeltern, aber auch Menschen mit solchen Vorerkrankungen, die ein gesteigertes Risiko im Zusammenhang mit dem Corona-Virus beinhalten.
Es war bei der Mitte März bestehenden erheblichen Verunsicherung der Bevölkerung richtig, angesichts des Unbekannten zunächst aus Gründen der Vorsicht den Vorrang der Sorge um die Gesundheit einzuräumen und Umgang auszusetzen.
Mittlerweile haben sich im Verlaufe der vergangenen 6 Wochen in der gesamten Bevölkerung Kriterien herausgebildet, eine Ansteckung mit dem Virus nach Möglichkeit zu vermeiden. Dabei spielen im Rahmen des sog. Social distancing das Befolgen einfacher, aber für jedermann oder auch jedes Kind durchführbarer Maßnahmen eine entscheidende Rolle, wie etwa das Tragen von Mundschutz in Geschäften oder im ÖPNV, das Einhalten der neuen Abstandsregeln – möglichst 2 Meter Abstand -, die Nutzung von Desinfektionsmitteln oder das gründlichen Waschen der Hände.
Eine hundertprozentige Sicherheit der Vermeidung einer Ansteckung mit dem Corona-Virus kann und wird nicht erreichbar sein, solange ein Impfstoff nicht für die breite Masse der Bevölkerung flächendeckend verfügbar ist. Die beschriebenen Maßnahmen sind jedoch nach allgemeiner Auffassung und den inzwischen zu verzeichnenden Erfolgen bei der Bekämpfung des Virus geeignet, eine Ansteckung zu vermeiden.
Angesichts der fortschreitenden Erkenntnisse, die seit Beginn der Krise zu verzeichnen sind, ist bei der vorzunehmenden Abwägung bei aller Vorsicht und angesichts der absehbar schrittweisen Wiedereröffnung von Kindergärten und Schulen nunmehr der Fokus auf die Wiederaufnahme des Umgangs durch den umgangsberechtigten Elternteil zu legen.
Dieser hat jedoch zu gewährleisten, dass die Maßnahmen des sog. Social distancing im Rahmen der Durchführung des Umgangs eingehalten werden, und zwar durch den Elternteil selbst, aber auch dessen neuen Partner/in und das Kind selbst auch. Dies gilt insbesondere bei Elternteilen bzw. Partnern, die virusrelevante Vorerkrankungen aufweisen.
Die Dauer der Krise ist unbekannt. Daher erscheint es unumgänglich, dass sich die Kindeseltern bei der Durchführung des Umgangs umgehend wechselseitig informieren, wenn Verdachtsfälle im jeweiligen Umfeld der Kinder, der Kindeseltern oder sonstig kindesbezogen auftreten.
Für den Fall der Fälle bedarf es einer Vereinbarung zwischen den Kindeseltern, wie mit einer solchen Störung umzugehen ist. Vorzugswürdig wäre eine Aussetzung des Umgangs für die Zeit der Quarantäne, aber auch die Schaffung klarer Regeln für die Wiederaufnahme des Umgangs, etwa nach Vorlage eines negativen COVID-19-Tests.
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